"Schrill ist zu einfach"
18.02.2009
Kieler Nachrichten vom 18.02.2009
"Schrill ist zu einfach" - Die britische Star-Trompeterin ist stets auf Klangfarbensuche
Wie Fotos doch täuschen können: Kein verführerisch lächelnder, blond gelockter Trompetenengel mit bloßen Schultern kommt uns da am Münchner Flughafen entgegen, sondern schlicht eine junge Frau in Jeans und Pullover, das Haar in aller Eile hochgesteckt. Obendrein verschnupft und leicht genervt von der Verspätung der Maschine aus London. Alison Balsom schätzt PR-Fotos nur bedingt: „Mein Job ist es vielmehr, als Musikerin so gut wie möglich zu sein."
Von Christoph Forsthoff
Wer jedoch in der 30-jährigen Britin unbedingt einen Trompetenengel sehen möchte, könne dies gern tun: „Jeder sieht das, was er möchte - allein: Ich bin kein Glamourgirl, das Trompete spielt, sondern eine Trompeterin, die auch hübsch gekleidet zu sein hat." Was sie nachhaltig bewiesen hat -auf der Trompete: Das Konservatorium in Paris schloss sie 2001 mit der höchsten Auszeichnung ab, hat seither zahlreiche Wettbewerbe gewonnen, ist mit einem der seltenen Exklusivverträge eines großen Labels ausgestattet und mit einem „Echo" als Nachwuchskünstlerin des Jahres dekoriert.
Kritiker schwärmen von ihrer Virtuosität und Spielfreude, von einer Ausdrucksskala, die weit über das brillante Geschmetter hinaus reicht bis ins Lyrische, ja Kantable - was sie auch im traumhaft dahinfließenden Andante von Hummels Konzertklassiker auf ihrem jüngsten Album beweist. Und all das in einer Männerdomäne. Als Kind habe ihr Geschlecht keine Rolle gespielt, in der Roysten Town Band im heimischen Hertfordshire habe sich keiner darum gekümmert, dass da ein blondes achtjähriges Mädchen an der Trompete saß. „Und später war ich dann schon voll dabei."
So liegt der Musikerin denn auch weit mehr an einer Emanzipation ihres Instruments denn ihres Geschlechts. „Es ist ziemlich einfach, laut, schrill und leider meist auch ein wenig schief zu spielen - aber das ist nur die eine Seite der Trompete", sagt die Virtuosin. „Doch das Publikum möchte ein Instrument hören, das wirklich etwas zu sagen hat, viele Klangfarben besitzt und über große Variationsmöglichkeiten verfügt" – eben einen Trompetenton aus dem Munde Alison Balsoms. Die sich dabei keineswegs wie auf ihrer CD mit den wenigen Schlachtrössern ihres Instruments begnügt wie dem schmissigen Hummelkonzert und dem herausragenden Drei-Sätzer Haydns, wo sie unter dem Oberflächenglanz eine geschmeidige, fast jazzige Eleganz entdeckt; nein, neben eigenen Arrangements anderer Besetzungen (wie etwa des melodiös-geschmeidigen Hornkonzertes Johann Baptist Nerudas) widmet sich die leidenschaftliche Skifahrerin auch gern der Moderne und Uraufführungen. „Es ist einfach sehr spannend in der Arbeit mit einem Komponisten zu erleben, wie ein neues Werk entsteht", blitzt da trotz Probenstress auf einmal ein Leuchten in ihren grau-grünen Augen auf. Wobei natürlich nicht jedes moderne Werk auch etwas tauge: „Ich muss schon von der Musik überzeugt sein und das Stück auch lieben, denn nur dann kann ich auch das Publikum dafür begeistern."
Und dann geschieht sie doch noch, die Verwandlung. Am Abend, als Balsom in rauschender, schulterfreier Robe auf die Bühne des barocken Prinzregententheaters tritt und sich mitsamt ihres glänzenden Instruments im Takt der Musik wiegt: Da ist das Bild des blonden Trompetenengels dann doch perfekt. Wie ist das eigentlich mit dem Küssen, Miss Balsom? Müssen Trompeter da besonders vorsichtig sein, schließlich sind die Lippen ja ihr kostbarstes Instrument? Die Antwort: „Nicht groß nachdenken. Viel wichtiger ist die Atmung. "